Religionsmündigkeit, Strafmündigkeit ...

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Erat Dineithel
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Religionsmündigkeit, Strafmündigkeit ...

Beitrag von Erat Dineithel »

... und die sexuelle Selbstbestimmung



Das »Gesetz über die religiöse Kindererziehung« bestimmt in Deutschland unter anderem die Religionsmündigkeit eines Kindes. Dort heißt es im Paragraph 3:

»… das Kind zu hören, wenn es das zehnte Lebensjahr vollendet hat. Weder der Vormund noch der Pfleger können eine schon erfolgte Bestimmung über die religiöse Erziehung ändern.«

Weiter heißt es im Paragraphen 5 desselben Gesetzes:

»Nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs steht dem Kind die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden.«

Dies bedeutet, dass ein Kind – welches das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat – die Entscheidung des religiösen Bekenntnisses alleine treffen darf. Gleichzeitig tritt mit dem Vollenden des vierzehnten Lebensjahres die Strafmündigkeit ein. Allerdings wird diese Strafmündigkeit im Paragraphen 19 des Strafgesetzbuches (StGB) nicht explizit erwähnt; sondern als »Schuldunfähigkeit des Kindes« betitelt. Dort heißt es:

»Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.«

Daraus resultiert der Umkehrschluss, dass schuldfähig ist, wer das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat, was bedeutet, dass der Täter – nach dem deutschen Recht – erst ab dem Erreichen dieses Alters bestraft werden kann. Allerdings findet für Jugendliche – dies heißt, für Personen vom vollendeten vierzehnten bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahr – das Jugendstrafrecht Anwendung. Sofern ein Heranwachsender – also eine Person im Alter von achtzehn bis einundzwanzig Jahren – eine Tat begeht und ihm die geistige und oder sittliche Reife fehlt – oder nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt – kann gemäß Jugendgerichtsgesetz (JGG) Paragraph § 105 Jugendstrafrecht auf Heranwachsende Anwendung finden.

Die »Sexuelle Selbstbestimmung« ist ein Individualrechtsgut, dies bedeutet, dass sie jeder Person zusteht, sofern sie in der Lage ist, die Einwilligung zum Sexualakt verantwortlich einschätzen zu können. Wer schuldunfähig ist, kann auch nicht in der Lage sein, sein Handeln verantwortlich einzuschätzen und kann daher auch nicht das Recht der sexuellen Selbstbestimmung in Anspruch nehmen. Hier greift zusammen mit dem Paragraphen 19 des Strafgesetzbuches (StGB) der Paragraph 176 Sexueller Missbrauch von Kindern desselbigen Gesetzes. Dort heißt es unter anderem:

»Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.«

Dieser Paragraph begründet also den Schutz des Kindes vor sexuellem Missbrauch und entzieht ihm das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, da ein Kind nicht in der Lage ist, eine rechtliche Verantwortung für seine Zustimmung zu übernehmen und es seine Handlung später eventuell bereuen könnte.

Dies bedeutet auch hier im Umkehrschluss, dass derjenige, welcher schuldfähig ist, dieses Recht in Anspruch nehmen darf, ob es jedem zusagt oder nicht. Natürlich müssen wir, insbesondere die Eltern junger Individuen, diese zu einem verantwortungsbewussten Handeln führen, sodass nicht eine Schwemme jugendlicher Mütter über das Land hereinbricht, die ebenfalls – wie bei der Sexualhandlung – nicht in der Lage sind verantwortungsvoll für die Folgen des Sexualaktes zu sorgen, also ihren elterlichen Pflichten verantwortungsbewusst nachzukommen.

Diese rechtlichen Grundlagen widersprechen dem weitverbreiteten Irrglauben, dass die Einwilligung zu einer sexuellen Handlung erst von Personen ab dem vollendeten sechszehnten Lebensjahr gegeben werden kann. Dieser Glaube stammt noch aus der Zeit vor 1994, zu einer Zeit, als der Paragraph 175 – auch bekannt als Schwulenparagraph – noch Anwendung fand. Im Jahr 1994 beschloss der Deutsche Bundestag den Paragraph 175 abzuschaffen und das absolute Schutzalter – gemeinsam für Mädchen und Jungen – auf vierzehn Jahre herabzusetzen. Aufgrund dieser, noch nicht zu jedem vorgedrungenen, Gesetzesänderung, hält sich der Irrglaube eines Schutzalters von sechszehn Jahren.

Diese, noch nicht zu jedem Rande der Gesellschaft vorgedrungene Rechtslage, führt häufig zu kontroversen – manchmal auch sinnlosen – Diskussionen. Häufig wird der Einwand angebracht, dass eine Person mit vierzehn Jahren – unabhängig, ob Junge oder Mädchen – zu jung für sexuelle Handlungen wäre. Dies bedeutet, dass die Gesellschaft, oder ein Teil unserer Gesellschaft, ihnen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung am liebsten entziehen würde. Um dies alles zum Schutze des Kindes, welches es – juristisch betrachtet – nicht mehr ist.

Wir leben in einer Demokratie, in der es die Pflicht des Bürgers ist, sich über seine Rechte und Pflichten zu informieren. Diese Pflicht wird oftmals nicht, selten oder nur schlecht wahrgenommen. Ab dem vierzehnten Lebensjahr ist eine Person ein Jugendlicher. Sie reift in dieser Zeit – in der sie das Kindsein gerade hinter sich gelassen hat – vom Jugendlichen zum Erwachsenen heran und es ist die Pflicht der Gesellschaft sie zu verantwortungsvollen, jungen Erwachsenen zu bilden und zu erziehen, was nicht die Aufgabe beinhaltet, ihnen ihre Rechte zu nehmen. Des Weiteren haben Eltern bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahr des Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht – aufgrund dessen ein Jugendlicher bereits am ersten Tage der Abwesenheit als vermisst gilt – und auch das Fürsorgerecht inne, welches ihnen erlaubt, regulierend einzugreifen, sofern sie das Wohl des Jugendlichen in Gefahr sehen. Somit sollten hier die Entscheidungen zum Wohle der Gesellschaft, zum Wohle des Kindes, in Vernunft getroffen werden. Auch und natürlich vor allem im Sinne des Jugendlichen, dessen Pflicht es ist, ab dem vollendeten vierzehnten Lebensjahr für seine Taten Verantwortung im Sinne des Strafgesetzbuches zu übernehmen und dessen Recht es ist, über seine Religion und sein Sexualleben selbst verantwortungsvoll zu bestimmen.
Du kannst nicht lernen, was du schon kennst - auch wenn es falsch ist.
***** Antworten - ob mental oder schriftlich - gibt es nur hier! *****

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